WHKIT Juli 2016 – Therme Soltau
Kontakt
Wir arbeiten differenziert zum Thema Kontakt. So, wie ich es an Land beim Massieren kenne, wo ist die Berührung angenehm, wo unangenehm, wie fühlt sie sich an? Physicaly, emotionaly, Phantasy? Fragen formuliert nach der Arbeit von Anna Halprin, wie wir sie bis heute in der HKIT anwenden. Oder: spüre den Kontakt zu dem anderen Körper. Male mit dem Bleistift an den Rändern der Berührungsfläche entlang, schneide die Fläche aus. Schaue sie dir an. Spüre zu der ausgeschnittenen Stelle hin. Kannst du da durchatmen? Wie stellt sich der Kontakt zwischen beiden Körpern an den Berührungspunkten her? Wie begegnen sich die Außengrenzen von Therapeutin und Klientin? Welches Geräusch entsteht an der Grenze? Eduardo Chillida sagt: Zum Glück gibt es Grenzen und ich kann Bildhauer sein. Für mich als Tänzerin umformuliert heißt das: Zum Glück gibt es Grenzen und ich kann Tänzerin sein.
So detailiert und analytisch im Wasser am Halten und Getragen werden zu arbeiten, das ist auch für mich neu und es stellt sich eine überraschende Spürsamkeit ein, die der Klientin und der Therapeutin neue Formen der Kontaktaufnahme zu ihrem eigenen Körper und auch mit den Heilkräften des Wassers ermöglicht. „Ich habe kleine Bewegungen in meinem Becken gemacht, die völlig neu sind,“ Caroline BB.
Kontakt zu uns selber. Kontakt zur Therapeutin. Kontakt mit dem Wasser. Das sind die drei Ebenen auf denen wir arbeiten in den letzten zwei Tagen. Es kommen Fragen wie: Kann ich mit Menschen die spastisch sind mit WHKIT arbeiten? Mit Menschen mit psychischer Behinderung? Aber auch wie umgehen mit Dissoziation im Wasser. Woran erkennen wir, wenn eine Frau sich auf und davon macht?
Auf jeden Fall schauen und deshalb ist eine Unterwasserbrille für alle Beobachterinnen des Settings unerlässlich, stellen wir fest. Die Unterwasserperformance der DDs im März 2016, BAPTISM, hat uns dazu die Wege geöffnet, siehe im blog.
Erste Schritte mit WHKIT
Dem ersten Mal WHKIT auf der Spur schlägt Caroline BB aus ihrer reichen beruflichen Praxiserfahrung mit spielerischer Bewegung vor, sich erst mal an den Händen zu halten im Wasser, mit beiden Beinen auf dem Boden stehen und sich gemeinsam ein bisschen spielerisch oder tänzerisch zu bewegen, es muss ja nicht immer gleich das Halten und Tragen auf dem Arm sein, das für manches Klientel einfach zu nahe ist und dann nur zu Abwehrreaktionen führt, wie Nackenverspannungen.
Wir sprechen auch von Dümpeln und erst mal die Bewegungen des Wassers spüren, bevor wir uns selber bewegen und davon, wie es sich im Wasser bequem wie auf einem Sofa, ich würde sagen, noch bequemer, liegen lässt. Der Tote Mann als Übungen mit seinen Versteifungen ist passé. Wir legen uns locker und entspannt auf der Seite ins Wasser. Wie geht das? Faszienarbeit. Geringste Bewegungen in der Faszie bringen große Bewegungen im Außen hervor. Dazu braucht es eine Nasenklemme.
Die Einführung der Nasenklemme in einer spielerischen Art tritt in den Fokus. Die Klientin liegt auf dem Arm der Therapeutin und wendet ihren Kopf mit Klemme ins Wasser zu den beiden Seite, so wie sie es will und wie ihr Atem es ihr vorgibt. Selbstbestimmt. Von da an kann es ab gehen in die Fluten.
Vorgespräch am Beckenrand. Eventuell erste Berührungen mit der Therapeutin. Klären von Stressfaktoren und was die Klientin braucht und sich wünscht. Es genügt völlig die ersten Stunden am Vertrauen zu arbeiten, am Loslassen und Getragen werden. Das ist keine leichte Übung, fällt oft schwer und führt oft zu Vorstufen der Dissoziation durch Erinnerungen daran nichts machen gekonnt zu haben, ausgeliefert gewesen zu sein … posttraumatische Belastungsstörungen und wie geht es da der Klientin zu folgen?
Auf jeden Fall sie an der Hand nehmen, nicht alleine lassen, immer in Kontakt bleiben, der rote Faden der Ariadne hilft zurück zu finden aus Schmerz, Verzweiflung und Verlassenheit. Ein weiteres Thema taucht auf, ich nenne es humorvoll
Stören
Was ist eine Störung? Was wir zu einer Störung machen. Störung ist eine Frage der Interpretation. Soviel mein lebenslanger Erkenntnisprozess. Es ist wichtig als HKIT Therapeutin an Land oder im Wasser in Kontakt zu sein mit unserem Klientel. Geht der Kontakt weg oder baut er sich gar nicht auf, so ist da eine Störung und wir fragen nach: Was passiert? Die typische Gerda Boyesen Fragen.
Störungen sind Stolpersteine. Sie sind notwendig uns aus dem Trott aufzuwecken. Störungen sind deshalb höchst willkommen in der therapeutischen Arbeit, weil sie Marker setzen, uns genauer hinspüren lassen. Nachzufragen wird oft als Störung erlebt und wir müssen als Therapeutin in den sauren Apfel beißen und auch manchmal die Böse Mutter sein und stören und damit aufzufordern aus dem Trott heraus zu kommen und tänzerisch neue Wege zu entdecken. Das kostet Mut ist aber als therapeutische Intervention immer dann angezeigt, wenn der Kontakt zur Klientin weg geht und ganz dem subjektiven Empfinden der Therapeutin anheimgestellt.
Im Wasser ist eine Kontaktaufnahme schwerer als an Land. Klar, ist der Kontakt auf der einen Seite intensiver, weil eine ganz andere körperliche Nähe möglich ist. Auf der anderen Seite können wir nicht eben mal was sagen oder fragen. Die Klientin taucht ins Wasser ein und wenn wir uns verbal austauschen wollen muss sie gelandet werden oder zumindest aus ihrem Wasser-sein zurück kommen.
Vegetative Prozesse
Haben wir Klientinnen, die im Wasser sich sehr viel bewegen, so hat das seine Hintergründe, der Muskel wird gespürt und damit das Ich, die eigene Kraft, das eigene Vermögen, Ich-Stärke. Das wollen wir und ist völlig o.k.. Wie steht es aber mit der Entspannung? Kann sich die Klientin entspannen im Wasser oder muss sie immerzu machen und tun um die Provokationen des Wasssers auszuhalten?
In einem Vegeto-prozess an Land oder im Wasser, also die Klientin bewegt sich, oft kommen die selben Bewegungen immer wieder, da ist es dringend erforderlich die Klientin nicht 45 Minuten alleine im Wasser ihre Übungen machen zu lassen sondern sie immer wieder anzusprechen, was passiert?, wie geht es ihr geht damit? um nicht den Kontakt zu ihr zu verlieren. An Land ist das viel einfacher möglich durch Aufmunterung, Unterstützung, wie: ja, weiter so, mehr, lauter … . Im Wasser holen wir die Klientin aus ihrem Schutzraum in den sie abgetaucht ist heraus.
Das erzeugt oft Widerstand und Unverständnis und nachgefragt kann es sein, die Klientin wünscht sich von der Therapeutin nur Schutzraum im öffentlichen Bad um sich austoben zu können. Das ist völlig o.k. und dann kann es weiter gehen. Doch dieses Nachfragen ist enorm wichtig und stellt wieder den Kontakt zwischen Klientin und Therapeutin her. Therapie ist Teamwork. Es ist mir nicht egal, was meine Klientin macht ich bin dabei, ich begleite sie, ich bin für sie da, wenn sie mich braucht. Diese Info ist wichtig, auch zwischendurch immer wieder zu geben um die therapeutische Beziehung zu erneuern und die Klientin nicht in Räumen alleine zu lassen, die das Wasser in vielfältiger Form und oft sehr provokativ zur Verfügung stellt.
Umgang mit alternativen Bewusstseinszuständen
Der sensomotorische Raum ändert sich unter Wasser. Wir hören anders, wir fühlen anders, wir sehen anders und wir bewegen uns anders. wir tauchen ein in einen anderen Bewusstseinszustand im Wasser. Das Eintauchen und Auftauchen aus solchen Räumen will wie in der Trancearbeit gelernt sein und braucht Spielräume zum Ausprobieren. Don’t get stuck, sagt Anna Halprin. Wir beschäftigen uns mit der Frage, wie interveniere ich als Therapeutin um in Kontakt zu bleiben zwischen dem Wunsch der Klientin nicht gestört zu werden und dem Wunsch nach Verbundenheit und Kontakt.
Wir probieren aus, wie das mit vorher gemachten Absprachen geht und stellen fest, dass solche Absprachen oft mechanisch rüber kommen und den Fluss zwischen K. und Th. behindern können, indem sie das gegenseitige Zueinanderhinspüren außer Kraft setzen. Solche Polaritäten sind immer wieder für mich als Tänzerin Auftrag und Anlass in Bewegung zu gehen und auszuprobieren, wie es spielt, tanzt zwischen den Gegensätzen.
Die therapeutische Beziehung
Im Schreiben denke ich noch einmal, wie wichtig es ist, auch im Wasser dem Klientel zu folgen und dass es eben ein oft langer und geduldiger Prozess ist, bis sich eine tragfähige therapeutische Beziehung einstellt, die Grundvoraussetzung für den therapeutischen Erfolg ist. Dazu gehört es auch, die Selbstwirksamkeit des Klientels zu fördern, das Gefühl zu vermitteln, du bist o.k., du weißt deinen Weg, ich als deine Therapeutin kann dich nur unterstützen und begleiten darin, deinen Weg zu gehen, denn letztendlich wirken die WHKIT wie die HKIT nur über die Selbstheilungskräfte des Klientels. G.F.
noch ein paar Daten
Wasserwiderstand
je nach Geschwindigkeit ist vier- zwölfmal mehr Kraft nötig als an Land
Gravity
10 % des Körpergewichts muss selbst geschleppt werden
Foto DD, Claudia Baum und Anita Moser