Massage als Zugang zum Tanz, zur Tanztherapie ist eher ungewöhnlich und in den HKIT auf die Einflüsse Gerda Boyesens zurück zu führen, deren psychotherapeutische Theorie sehr stark von der körpertherapeutischen Verbindung von Massage und Psychotherapie in Norwegen beeinflusst war. Ich berichtete über Bülow-Hansen, die körpertherapeutisch mit einem Psychiater zusammen in der Klinik arbeitete. Bis heute ist Körpertherapie in Norwegen eng gekoppelt mit der Psychiatrie und Psychotherapie in Norwegen und ein weltweit einzigartiges Modell. Michael Heller beleuchtet diese Zusammenhänge in Oslo I, der Link findet sich ebenso im Septembertext.
Wie ich im Septembertext bereits schrieb hat sich die HKIT Massagemethode weiterentwickelt, darauf gehe ich jetzt hier nicht noch einmal ein. Ferner findet sich im Nov./Dez. Block ein ausführliches Dokument über den erweiterten Massagebegriff in den HKIT in der Docu einer 20tägige Anwendungspraxis. Der erweiterte Massagebegriff geht davon aus, dass wir nicht nur in einer Massagesitzung massiert werden, sondern, dass sich auch in jeder Bewegung die wir machen ähnliche Vorgänge wie in einer Massage in unserem Körper abspielen.
Der erweiterte Massagebegriff in den HKIT
Also das Gewebe wird bei einer Bewegung von Muskeln und Sehnen geschoben, gedrückt, … das führt zu Pumpvorgängen im Gewebe mit eindeutigen Auswirkungen auf die Körperflüssigkeit und deren Zirkulation. Ich schreibe ungern das Wort Zirkulation, weil der Eindruck entsteht, es würde sich um einen Kreislauf handeln und in der Massage müsste darauf eingegangen werden, wie in der klassischen Massage auf das Denkmodell des Blutkreislaufs. Das entspricht nicht biodynamischem Massagedenken.
Für die BiodynamikerIn ist die Massagerichtung nicht entscheiden, entscheident ist die Durchlässigkeit der Zellmembranen um Blockaden wieder ins Fließen zu bringen. Es wird niemals mit starkem Druck im Gewebe gearbeitet sondern immer wird der Druck an den Rändern der Blockade in den Membranen reduziert. Exitmassagen dagegen haben eine vorgegebene Richtung, es wird zu den energetischen Ausgängen hin gearbeitet, bis auf das Dritte Auge und das Steißbein, die niemals ausgezogen werden. Dazu gibt es spezielle Techniken wie z.B. kurze und lange Spiralen. Diese Massagerichtung wiederspricht völlig dem Modell der Blutzirkulation, also immer zum Herzen hin zu massieren. Das gibt es nicht in der Biodynamik.
Der erweiterte Massagebegriff findet sich in dem Spaziergang mit der Klientin am Strand wieder, diese Doku im blog erwähne ich bereits oben. Hier öffnet sich die Fußsohle energetisch durch das Gehen, also das Drücken und Schieben und Gleiten des Fußgewebes im Sand und im Wasser. Dadurch werden die Membranen angeregt, der Zellstoffwechsel kommt in Gang und festgehaltene Gewebestrukturen können sich in den Membranen durch elektrochemische Prozesse im Gewebe lösen, das Membrangewebe wird wieder weich und durchlässig, was sich dann anfühlt, wie wenn die Fußsohle offen wäre.
Ein reger Austausch mit dem bis dahin blockierten Kontakt zur Erdenergie kann stattfinden. Erde weißt tiefenpsychologisch über Materie – Mater auf Mutter hin. Im Grounding, in der Erdung, im Kontakt der Füße zum Boden zeigt sich leicht der Rückzug in sehr frühen Tagen von der mütterlichen Energie, die Füße berühren den Boden weniger, der Spann wird hochgezogen. Die therapeutische Erlaubnis, die Erde berühren zu dürfen, in einen intensiven Erdkontakt zu kommen braucht sehr viel Zeit um angenommen werden zu können.
Auf tänzerischer Ebene braucht es Geduld, bis dieser lebensnotwendige Kontakt hergestellt werden kann. Es muss ja psychisch erst mal die ganze Mutterbeziehung auf den Kopf gestellt werden. Am Meer, in Brasilien hatten wir da ein Zeitraffererlebnis.
Massage als Pass de Deux
Wie in der Doku deutlich wird habe ich mit der K. vorbereitend mit Massage auf der Matratze gearbeitet. Um ein differenziertes Körperverständnis zu wecken ist das in den HKIT die adäquate Methode. Die Klientin muss nichts leisten, können, tun, es öffnet sich ihr einfach nur der Spürraum. Auch das ist für manch eine KlientIn erst einmal gar nicht so einfach, weil oft schon sehr provozierend, wenn nämlich negative Körpererfahrungen durchs Spüren angetriggert werden. Dann folge ich der Klientin in für sie entspannendere Körpergefilde. Ich bewege z.B. meine Hand die bis dahin nur gehalten hat oder ich fordere die K. auf, sich zu bewegen um stärker in den Muskel und ins Ich zurück zu kehren. Reich: Das Ich sitzt im Muskel.
Ist aber eine Massageberührung möglich und folgen dieser Berührung Gespräche zu dem, was da alles gespürt werden kann und gespürt wird, so führt die Massage zu präzisen Körpererfahrung. Dem Ebenenmodell G.B.s folgend können sich für die K. Bewegungsräume öffnen in Verbindung mit tiefenpsychologischen Vorgängen. Es werden vom Körper völlig unbekannte tänzerische Bewegungsmöglichkeiten über ein intensiviertes und erweitertes Erfahrungsnetzwerk durch die Massage bereitgestellt. Neue, heilsame tänzerische Wege können sich so körperpsychotherapeutisch im erweiterten Massageverständnis erschließen.
Massage, als Berührungsebene zweier Körper wird dabei zum Kommunikationsraum zwischen KlientIn und TherapeutIn, oder KlientIn und Erde oder Klientin und Raum oder Tänzerin und Tänzerin oder Tänzerin und Publikum. Der körperliche Dialog, wie wir ihn tänzerisch von der Kontaktimprovisation kennen erweitert sich zum Tanzraum der Seele, zum Pass de Deux zwischen TherapeutIn und KlientIn … Innenraum und Außenraum in Kommunikation.
Die Lebensenergie wird spürbar, begreifbar und kann als reale Energie im tänzerischen Kontext während einer Performance auf der Bühne erlebt werden und in Dialog treten mit den anderen Tanzenden. Tanzend entstehen heilsame soziale Skulpturen.
Hier das Feedback einer Tänzerin nach einem Massageseminar HKIT:
Ich hatte schon die Gelegenheit, das Gelernte vom Massageworkshop in die Tat umzusetzen und bin ganz begeistert. Du hast mich irgendwie ermutigt, das Ganze weniger kompliziert zu sehen. Mehr so im Sinne von wirklich Da-sein, wirklich zuhören. Eigentlich ist das Grundprinzip wieder so wie im Gespräch. Ich habe das bei Gendlin mal gelesen: Es reicht, wenn jemand wirklich da ist. Das hat mich sehr beruhigt. Ich glaube nicht, dass Du es wirklich gesagt hast, aber so ist bei mir angekommen.
Vielleicht ist es auch das, was ich erlebt habe, als Du mich massiert hast. Dann habe ich auch schon gemerkt, dass ich mutiger werde, meinen eigenen Impulsen im Geschehen mehr zu vertrauen und es einfach auszuprobieren und nachzufragen. Eine Klientin hat hinterher gemeint, wie erstaunlich das ist, wie es sich so gemeinsam entwickelt. Ich sehe Massage auf einmal mehr als Kommunikation. Und das nimmt mir natürlich den Stress, es irgendwie vorher wissen zu müssen, wie es geht.
Gendlin, ein Rogerschüler, kam deshalb zum Schluss, dass der Erfolg einer Psychotherapie unabhängig ist von der eingesetzten Methodik oder den Themen, die ein Klient bearbeitet. Der Erfolg hängt in erster Linie davon ab, wie ein Klient über sich selbst spricht. Ausschlaggebend für das Wie ist die persönliche Aufmerksamkeit (Fokus) auf das unmittelbare körperliche Erleben, wenn das Problem oder die Krise bearbeitet wird. Gendlin fand für diesen Prozess eine Beschreibung, aus der er die Methode des Focusing entwickelte. Sein Ziel war es, den Menschen, die nicht über diese Fähigkeiten verfügten, einen Weg zu diesem Erfolgsfaktor zu vermitteln. Durch das Focusing erweiterte er die klientenzentrierte zur erlebensorientierten Psychotherapie. Durch Einbeziehen des sog. Felt Sense sah er auch für andere Therapieformen einen Nutzen.
Zusammenfassung
Mit diesem Zitat bin ich schon am Ende meiner Ausführungen zu Massage – Tanz – Therapie angelangt. Das geht mir jetzt selbst ein bisschen schnell, ich habe den Kern der Massagemethode von Gerda Boyesen beschrieben und ihre Anwendung in der Tanztherapie, die zu einem erweiterten Massagebegriff geführt hat, nämlich Bewegung massiert. Dazu braucht es ein gewisses Focusing, eine Ausrichtung, das auch wahrzunehmen um dann im Tanz umsetzen zu können. Damit erweitere ich natürlich auch den Tanzbegriff und Massage wird zum Tanz zwischen zwei Körpern, so wie es einen Pass de Deux mit der Erde gegeben kann, mit einem Stuhl, einem Baum, dem Körper von Zuschauenden, den Körpern von Mittanzenden.
Dass Massage nicht weh tun darf möchte ich allen Massierenden sehr nahe ans Herz legen.
Die Fotos sind von heute früh am Strand bei Sonnenaufgang. G.F.