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Ein Spaziergang am Wasser, die Wellen umspielen die nackten Füße und wir begegnen Dingen, die im Laufe der Zeit, noch bevor wir hier waren angespült wurden, vielleicht liegen sie schon einige Zeit da und warten auf uns? Strandgut. Ich frage mich, was hat sich so im Laufe des Jahres angesammelt an den Gestaden des Dancing Dialogs und wartet darauf, von euch in diesem Tanzsommer entdeckt und erkannt zu werden?
Gerlinde bedankt sich für die beginnende Einstimmung auf die Sommertanztage. Ich danke Gerlinde für die Anregung, mir das Strandgut DD nochmal genauer anzuschauen und vielleicht hat die eine oder andere von Euch ja Lust mich zu ergänzen mit eigenen Fundstücken. Seit dem letzten Sommer haben wir ja ordentlich was bewegt. Wäre spannend zu erfahren, was euch so spontan begegnet?
Wie formt sich aus diesem Strandgut unser Gemeinschaftsprojekt Summertime in Inzmühlen 2017? Hier meine ersten Ideen, was wir aus dem Strandgut so zaubern könnten: Ein Sommer mit den Orixas.
1. „Playtime generally is safe time“, Bekoff 2002
Dieses Zitat stammt aus einem Hundetrainerbuch, Ekhard Lind, Richtig spielen mit Hunden, Kynosverlag 2016. Ich hab ja Debbie, den kleinen Hund meiner Mutter jetzt in Vollzeit und am Abend fordert sie mich, mit eindeutigen Spielgesten zum Tanz. Ekhard Linds Ansatz gefällt mir sehr, keine Leckerli, keine Konditionierung, nein, beobachten und mitspielen. Beim Lesen der Spielqualitäten, die er aufstellt, wird mir die Kraft der HKIT bewusst, die aus den selben spielerischen Quellen schöpfen.
Spielqualitäten in den HKIT – Freiheit, Eigenbewegung, Spontanität, Verschwendung, Lust.
Doch das ist noch lange nicht alles, was Spiel zu bieten hat, da kommen noch kulturell formative Kräfte ins Spiel, die Kultur erst ermöglichen. Spiel als grundlegenden Substanz der Kultur und ihrer Erscheinungsformen. Im Spiel fördern wir soziale Kräfte: Motorik, Experimentierfreude, Kommunikation, es ermöglicht Kompensation ebenso wie es Ventilwirkung haben kann. Es fördert Selbsterfahrung, Intelligenz, soziales Verhalten, Mitgefühl und Fairness, Humor und Freude. Und nicht zu Letzt stellt Ekhard Lind fest: „Umwandlung fällt den Menschen nirgendwo leichter als im Spiel wo Kräfte frei gesetzt werden, die sonst Mühe bedeuten und wo Verwandlung wie von selbst das Ganze erfasst und umbaut, noch dazu in lustvoll beglückender Art und Weise.“
Whow, denke ich, fanstastisch, dazu als Hintergrundsinfo ist es wichtig zu wissen, dass das Wort Spiel im Althochdeutschen Tanz meinte und sich der Tanz leider im Laufe der Zeit weg entwickelt hat vom Spiel, was das Lied „Es führt über den Main, eine Brücke aus Stein“, sehr anschaulich belegt, als der König sich des Spiels bemächtigt, will er sich nicht im Tanze drehen und lässt die Brücke entzwei schlagen. Nun laufen sie also nebeneinander her Spiel und Tanz und ich bin froh, dass wir in den HKIT das Spielen wiederentdeckt haben und damit ein wesentlicher Faktor für das heilsame im Tanz zurückkehren konnte.
Doch wie spielen wir Tanz? Spiel braucht einen geschützten Raum, in dem wir ausprobieren können, nicht schon können müssen. Das steht auf dem Programm diesen Tanzsommer, ein spielerischer Umgang mit den Tanzgrößen des Candomblé. Ausprobieren, Experiementierfreude, Humor. Bringt Tücher und Kleider, Hüte und Röcke mit, Schmuck und Schminke, alles was es so braucht für ein buntes 8-Tage-Fest. Es darf gespielt werden.
Ich erinnere im Kindergarten diese Bänke in denen sich allerlei Kostüme verbargen, kaum übergestülpt waren wir Dornröschen oder der schöne Königssohn … was trägt Exú? Nana, Yansa oder Oxumare? Auf jeden Fall tollen Fummel, Glitzer und Spitze was das Zeug hält. Packt ein, was euere tollkühnsten Träume beflügelt, der Phantasie sind im Spiel keine Grenzen gesetzt. Darum geht es in den Tanzritualen dieser Welt, Verwandlung, von der Ekhard Lind oben spricht, die im Spiel, im Tanz so leicht fällt und in den HKIT so nachhaltig wirken kann.
Slow motion
Hier kommt zum Spiel- und Vertrauensraum noch ein anderer überaus wichtiger künstlerischer Faktor hinzu, die Zeit. Slow motion steht als Funktion auf meinem Iphone. Ins Deutsche übersetzt heißt das Zeitlupe und wenn ich ganz ehrlich bin öffnet mir das Wort Zeitlupe einen völlig anderen Tanzraum als slow motion. Ich sehe mich mit einer Riesenlupe aus Alices Wunderland über die Bühne stolpern.
Hoppla, die Welt verändert sich, sobald sich die Optik ändert, die berühmte rosa Brille, die alles so angenehm werden lässt, vor allem aber werden wir langsamer. Eine Lupe macht, dass wir genauer hinschauen … slow motion … das heißt langsame Bewegung … das kommt dabei heraus, wenn wir im Tanzraum herumgehen und mal genauer hinspüren zu unseren Füßen, da vertieft sich der Atem … der ganze Körper kommt uns entgegen … endlich scheint er zu sagen, endlich schauen wir mal genauer hin – Zeitlupe.
Was wir dabei erleben ist eine Wundertüte an bodysensations. Mein Blick fällt noch mal auf das Wort Zeit, wenn ich durch die Lupe schaue. Zeit haben, das ist doch, einer der großen Momente wenn wir das erkennen in der HKIT-Arbeit. Zeit haben, nicht eine Übung hinter der anderen abspulen, nein, sich ausbreiten im Nachspüren, erleben können, leben können. Ein unglaublicher Schatz, der sich da auftut. Es fällt leichter in einer Gruppe von Gleichgesinnten: ankommen, bleiben, nicht schon wieder aufbrechen. Ein neuer Zeitraum kann sich öffnen. Zeit haben für mich selber. Ein unbezahlbarer Schatz, wir können uns ein schnelleres Internet kaufen, ein schnelleres Auto, den Haushalt automatisieren, mehr Zeit haben wir dadurch nicht. Wie kommt es, dass wir Zeit haben? In dem wir entschleunigen, Fuß vom Gas, Prophylaxe gegen Stress, burn out, Herzinfarkt … .
Slow food, slow travelling, das sind Begriffe heute, die uns anregen wollen für mehr Qualität im Leben offen zu sein, zu genießen und jetzt kommts: in unserem Rhythmus zu leben und da sind wir auch beim Essen oder beim Reisen tänzerisch, wenn wir wie die Tarantella in unseren Rhythmus hineintanzen. Mag sein die einen haben ihren Rhythmus von der Wiege bis zur Bare, andere, wie die Tarantella jedoch zeigen uns, dass es menschenmöglich ist aus dem Takt zu geraten, den Rhythmus zu verlieren und dass es manchmal ansteht im Leben einen neuen Rhythmus zu finden, der den aktuellen Lebensumständen mehr entspricht wie der alte. Aus dem Schritt geraten, aus der Reihe getanzt, stolpern … das will gelernt sein und dafür bieten seit altersher Tanzrituale den Spielraum zum Malausprobieren.
Ja, Eckhard Lind geht sogar so weit, dass er als Musiker sagt, es braucht die Ruhe, sie baut einen Spannungsbogen auf, der Spiel erst entstehen lässt … nehmen wir das Spiel der Musiker in einem Orchester, die erst mal wie wild rumfideln und rumdudeln, bevor es dann mucksmäuschen still wird und der Tanz beginnt. Ruhe, Langsamkeit gehören genau so zum rhyhtmischen Erleben wie ein rasend schnelles Trommelsolo oder ein piffiger Rap.
Mit Zeit und Raum zu spielen sind wichtige künstlerische Mittel der Moderne. Was bis dahin nur den Göttern erlaubt war, jetzt werden die Menschen selbst kreativ … jeder Mensch ein Künstler … heißt ja nicht mehr, als jeder Mensch kann schöpferisch tätig sein … und auf diesem Weg begegnen uns in diesem Tanzsommer die Götter des Candomblé und wir werden von ihnen lernen wie es geht sich neu zu kreieren, die Welt neu zu kreieren, wenn wir seither als Xango durchs Leben donnerten, wie lässt es sich als Oxumare an, als schillernde Schlange den Hindernissen aus dem Weg gehend anstatt sich in sinnlosen Kämpfen zu verlieren?
Ist das erlaubt? Für einen Kreator auf jeden Fall. Wir polieren unser Frauenbild auf und lernen neue Aspekt hinzu, die wir so noch gar nicht auf dem Schirm hatten: Yansa sagt: „Ich bin dann mal weg“ und erlaubt sich nichts mehr auszuhalten, auszusitzen, durchzustehen sondern nimmt die Röcke voll Wind und macht sich auf und davon.
Exú stolpert und taumelt und trifft doch voll ins Schwarze wenn es um einen Sechser im Lotto geht.
Oder Jemanja die die Brücken mit sich reißt und uns die Kraft der Gefühle nahe bringt. Nana die uns in die Kunst einweist V.rtrocknetes und Verkrustetes aufzuweichen und in fruchtbare Feuchtgebiete zu verwandeln, Oxum, die Goldene, stellt sich gleich mal unter Oxumares Regenbogen am Wasserfall. Eine erfrischende Dusche, schlängelnde Beckenbewegung und klimpernde Armreifen, eine Diva die uns mit einer Handumdrehung einlädt, alles nicht so wichtig zu nehmen.
Nehmt mit, sagen diese afrobrasilianischen Archetypen der Tanzkunst, nehmt mit, was ihr brauchen könnt, es ist genug da für alle und hier noch mal meine Bitte, bringt mit, was Euch einfällt um unsere Tänze bunt und farbenfroh zu gestalten, euerer Phantasie sind keine Grenzen gesetzt … packt alles ein für lustige und ausgelassene Tanztage unter den alten Eichen. Probiert euch aus, in den 8 gemeinsamen Tagen als Tänzerin mit Glöckchen und Perlen im Haar, mit Zimbeln und Klappern an Händen und Füßen, scheut euch nicht, in die verwegensten Kostüme zu steigen.
Playtime is geranlly safe time, probiert aus, wie es sich anfühlt einmal ganz anders zu sein als sonst, dazu lade ich euch ein, treibt es auf die Spitze … hier ist der Playground für euch eröffnet … . Shakespeare hat gleich mehrere Theaterstücke zu dem Thema geschrieben, das eine heißt: Wie es Euch gefällt, das andere: Was ihr wollt … also, auch im Theater, wie in der Musik wird gespielt, nur zu, kreiert euere Traumfrau.
Eigenbewegung
Womit mir wieder dann gleich wieder Strandgut unter die Füße kommt: EIGENBEWEGUNG. Ein super wichtiges Thema dieses Tanzjahres. Wie kommen wir zu dem Gefühl, dass wir uns nicht so bewegen, wie wir uns eigentlich bewegen wollen? und wie werden wir diese Programme die in uns wirksam sind und unseren Ausdruck so ganz anders werden lassen als wie wir uns innen anfühlen? Wie werden Innenraum und Außenraum deckungsgleich? Wie können wir frei und unverfroren in die Welt hinein gehen, die das Hänschenklein tut? Ja, da stehen wir jetzt. Erst mal hinspüren, erst mal Atem holen und dann? Zum Glück haben wir Freunde, nicht nur im Außenraum sondern auch im Innenraum, zum Glück öffnen sich uns Türen, von denen wir vielleicht gar nicht wussten, dass es sie gibt. Spiel, Tanz das hat mit dem zu tun, was FLOW meint, mit dem eintreten in andere Bewusstseinszustände.
Nehmen wir nur das in den Schlaf hinein dämmern, abends im Bett oder das Aufwachen am Morgen. Alles erforscht. Ein Alphazustand. Der Tanz lädt uns mit seinen Spielqualitäten: Freiheit, Eigenbewegung, Verschwendung, Spontanität, Lust dazu ein, alle Register zu ziehen und nicht nur in einer Reality zu gegen zu sein. Nein, wir können mehr. Play time is safe time. Probieren wir es also aus in diesem Sommer unter den alten Eichen, näher an uns selber heran zu tanzen und uns auf der Bühne des Lebens so zu präsentieren, wie wir es stimmig finden für uns selber. Da geht es um Selbstverwirklichung und den freien Bewegungsimpuls und um die Frage, wie tanzt sich das zusammen mit den afrobrasilianischen Tanzmustern des Candomblé?
Ich hör jetzt mal auf und öffne den Raum für Strandgut, das ihr gefunden habt …
Mehr zu den Orixa im Blog vom 5. Juni 2017 und im Blog unter Kategorien runterscrollen und anklicken bei Therapie und HKIT mit den Orixa, da müsst ihr wieder runterscrollen und findet dann viele tolle Fotos und viele Texte zu Erfahrungen mit den Orixa und auch zu ihren Eigenschaften. Es lohnt sich! Nächster Tipp ist das Tanzbuch: Die Roten Schuhe. Darin beschreibe ich wichtige weibliche Orixai und ihre Bewegungen ausführlich.
Lust auf mehr?, gerne könnt ihr euch noch geschwind im Institutsbüro anmelden zum Tanz mit den Orixas, ein OPEN der DDs vom 11.-20. August 2017 in der Tanzheimat Inzmühlen.