Immer wieder taucht in den letzten Monaten ein Kernthema der HKIT, der Körperpsychotherapie auf, Gefühle versus Bewegung, Gefühle versus Körperempfindungen. Dieses Thema bewegt mich und ist noch lange nicht ausdiskutiert. Es hat viele Nuancen und es ist für mich ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal der HKIT. In der Fachliteratur finde ich ausschließlich den Focus des therapeutischen Handelns auf die Gefühle gerichtet und keine Diskussion über die Bedeutung von Bewegung und sinnlichem Erleben, also den sensomotorischen Raum der kognitiven Entwicklung. Die Tanztherapie hat m.E. da wichtige körperpsychotherapeutische Erkenntnisse, die dem Tanz geschuldet sind und den Bewusstseinsebenen wie dem FLOW in den uns künstlerische Therapien bringen können. Hier weiter Erfahrungen aus meiner therapeutischen Praxis zu dem Thema:
Eine Klientin erzählt mir, dass ihr Freund zu ihr am Wochenende sagte: Du bist so kompliziert, und sie das in tiefste Verzweiflung und Verlassenheit stürzte und sie an Demütigungen von ihrem Vater, die in der Kindheit passiert sind, denken ließ.
Ich fragte sie, wie sich das im Körper anspürte, unmittelbar nachdem ihr Freund ihr das gesagt hatte. Sie meinte: das Herz schlug mir bis zu Hals, mein ganzer Körper pochte … . Wir sprachen darüber, woher sie diese Körperwahrnehmung kannte. Sie sprach dann von ihren Gefühlen, Wut. Ich fragte sie, wie es sich anfühlt, wenn sie plötzlich einem Menschen gegenüber steht, in den sie verknallt ist und …: das Herz schlägt ihr bis zum Hals und der ganze Körper pocht. Wut oder verknallt sein haben also ganz ähnliche, wenn nicht identische Körperempfindungen als Grundlage im sensomotorischen Raum. Es ist folglich unsere Interpretation aus unserem Erfahrungshintergrund heraus, die unser Gefühl zu Stande bringt. Das ist in vielerlei Hinsicht äußerst wichtig.
Gefühle sind Interpretationen unserer Körperwahrnehmungen aus dem sensomotorischen Raum, der die Basis unserer kognitiven Entwicklung ausmacht, die im Riechen, Fühlen, Schmecken, Tasten, Sehen, Hören … begründet ist und in den Bewegungen die diese Sinneswahrnehmungen in uns auslösen. Interpretieren wir unseren Herzschlag aufgrund unserer Erfahrungen, dann haben wir ein Gefühl, verbunden mit Bildern und Worten von Erlebtem.
Wir treten folglich niemals einem Menschen frei gegenüber sondern interpretieren seine Worte, Gesten … aufgrund unserer Erfahrungen. Der Satz: Du bist kompliziert, kann deshalb eine Gefühlslawine lostreten und eine in dieser Situation angemessene Reaktion verhindern. Meine Klientin war bestürzt, sie erstarrte und kam aus dieser Haltung nicht mehr alleine heraus. Eine Erfahrung aus ihrer Kindheit in die sie immer wieder hinein gerät und die sie hilflos macht.
Kant fordert uns auf herauszutreten aus der selbst verschuldeten Unmündigkeit. Nun hat das Kind keine Schuld an dem, was ihm widerfahren ist, aber die Erwachsene hat die Möglichkeit herauszutreten aus dieser kindlichen Abhängigkeit. Die Erwachsene kann sich auf den Weg machen und muss nicht länger diesen Zustand des Überrolltwerdens von den eigenen Gefühlen hinnehmen.
Heraustreten aus den negativen Erfahrung die wir einmal gemacht haben, wie geht das? Heraus treten in dem wir aufhören unsere Körperwahrnehmung zu interpretieren wie geht das? Was verändert sich da, wenn wir auf der sensomotorischen Ebene bleiben: Das Herz schlägt bis zum Hals. Der Körper pocht. Gehen wir mal hinein in die Situation. Ein Paar am Sonntag Abend nach einem glücklichen Wochenende. Dann der Satz und die Körperreaktion:
Ich kann ihn Tränen ausbrechen,weil mein Vater mich immer mit seinen Worten gedemütigt hat und erstarren. Mein Gegenüber wird sich vermutlich zurück ziehen und sich schuldig fühlen. Ich möchte umarmt und geliebt werden. Das Gegenüber möchte sich nur abwenden und davon laufen. Das wäre die nonverbale Variante, Gefühlsausbruch.
Ich könnte auch sagen das verletzt mich jetzt … würde letzendlich nach diversen Wortgefechten genau so enden wie oben, der andere fühlt sich schuldig und ich bleibe mit meinem Bedürfnis geliebt zu werden auf der Strecke.
Variante drei wäre ich bleibe im Hier und Jetzt und sage: Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Mein Körper pocht. Keine Schuldzuweisung. Was brauche ich da in dem Moment? Hinlegen. Zurückziehen. Gehalten werden. Das wären Bitten, die dann ausgesprochen werden könnten. Das Gegenüber braucht nicht zu wissen, woher das kommt. Es geht nur darum, jetzt das Herz zu beruhigen. Ganz auf der sensomotorischen Ebene zu bleiben, dem Herz, dem Körper zu antworten. Also Umarmung. Also liegen. Also losrennen. Also sich zurück ziehen … es gibt so viele Möglichkeiten, was da für Bedürfnisse kommen, langsame Musik, … langsam gehen … damit sich der Herzschlag wieder runter regelt.
Gefühle mögen zwar ihre Berechtigung haben und uns das Leben manchmal erleichtern, weil sie uns gleich warnen vor verletzendem Verhalten anderer und wir uns zurück ziehen können, bevor der Pfeil trifft. Sie verstellen uns aber auch den Blick auf dieWelt und die vielen Möglichkeiten wie wir eine Körperreaktion noch wahrnehmen können. Gefühle sind ein ONEWAY. Eine Interpretation von vielen.
Dass diese Interpretation in der Kindheit aufgebaut wurde und sich in Worten und Bildern in uns als Lebensweisheit eingenistet hat ist völlig o.k. und im Sinne der kognitiven Entwicklung, wie sie Piaget, Entwicklungspsychologe, darstellt A MUST. Dörner nennt dies die Landschaft eines Menschen. So bilden sich unsere Einstellung, Gedanken, Meinungen, bis hin zu unseren IQ und den kulturellen Werten.
Doch was tun, wenn unsere Gefühle uns beherrschen, wenn wir nicht mehr HerrIn im eigenen Haus sind? Wir gehen die Entwicklungsleiter der kognitiven Entwicklung zurück, sozusagen auf die Festplatte unseres Seins, den sensomotorischen Raum, dort lassen sich alte Strickmuster auflösen und neue er-finden. Wie das geht? Der erste Schritt ist im Körper zu bleiben und nicht aus uns heraus zu treten sei es nun in die Luft zu gehen oder uns durch Erstarrung aus dem Körper zu beamen. Den Körper brauchen wir auf diesem Heilungsweg.
Körperwahrnehmung sagen uns in erster Linie: ich lebe. Simone de Beauvoir: Ich betrete den Raum, mein Herz schlägt. Existenzialismus. (siehe im blog unter dem Stichwort „philosophische Wirklichkeiten“). Alles andere ist Interpretation. Wollen wir frei sein, ein Wert der schon Elsa Gindler, der Pionierin der Körperarbeit, Anfang des 20. Jhr. wichtig war, dann ist Körperarbeit der Weg uns von einmal gefällten Urteilen, einmal gewonnenen Einsichten zu lösen und so unvoreingenommen der Welt und den Menschen begegnen zu können.
Damit sind wir befreit von dem Reiz-Reaktions-Schema in das uns unsere Affekte stürzen können: Jemand sagt das Keyword und ich gehe an die Decke. Wir bleiben im Körper und spüren weiter hin, wie das Herz schlägt und können auf dieser Ebene das Herz mit langsamen Bewegungen, tiefen Atemzügen oder bedachten Trommelschlägen wieder runter fahren, falls wir das jetzt überhaupt noch wollen. Bei Wut o.k., aber bei Verknallt sein? Welche Liebende, welcher Liebender will schon beruhigt sein?;)) also, nur Mut. Gefühle sind nicht alles sagt die Tanztherapie, sie sind der Anfang eines lebenslangen Rendevouz mit uns selber.
Gefühle wollen immer wieder überprüft und verändert werden, sie führen ein unstetes Leben, sie kommen und gehen und wir müssen sie immer wieder hinterfragen, weil sie passen nicht immer. Gefühle gehören in der Körperpsychotherapie zum Körper. Das ist wichtig. Hier setzt die Körpertherapie an. Gefühl und Körper. Ein alter Philosophenstreit in dem Gassendi sagt: Ich bewege mich, also bin ich, während Descartes sich durchsetzt und unser Denken bis heute prägt mit seinem: Ich denke also bin ich, mit allen Folgen, die wir bis heute in der therapeutischen Arbeit haben. Sind Gefühle der Psyche zuzuordnen oder dem Körper. Das macht in der therapeutischen Arbeit den Unterschied von Körpertherapie und Psychotherapie bis heute, den wirin der Körperpsychotherapie zu überwinden suchen in dem wir ebenso mit dem Körper wie mit der Seele arbeiten. Gerda Boysen: Über den Körper die Seele heilen.
Doch zurück zu unserer Klientin. Manchmal hilft es nachzufragen: Wie meinst du das denn jetzt?, um unsere Interpretation des Gesagten zu hinterfragen. Das ist toll, wenn wir das schaffen da auf einer höheren kognitiven Ebene zu bleiben. Wenn wir aber abstützen und jemand den roten Knopf gedrückt hat hilft nur noch rein in den Körper. Ich meine jetzt nicht Urschrei oder eine Tasse an die Wand werfen, das ist auch raus aus dem Körper, ein Damit-will-ich-nix-zu-tun-haben. Freilich, wer will schon was mit den negativen Worten des Vaters zu tun haben. Aber der ist ja in der Sonntag Abend Stimmung gar nicht da. Wir könnten unserem Gegenüber natürlich auch seinen Satz: Du bist so kompliziert, in Gewaltfreier Sprache übersetzen mit: Hättest du gerne, dass ich das, was ich dir gerade sage einfacher ausdrücke?
Doch für diese höheren Weihen der Kommunikation sind wir wenn der rote Knopf enmal gedrückt ist meist nicht mehr in der Lage. Da heißt es: der Körper fordert sein Recht und recht hat er. Wenden wir uns ganzkörperlich uns selbst zu wissen wir aus dem sensomotorischen Raum heraus, was wir jetzt brauchen aber auch, was das verletzte Kind damals gebraucht hätte und so können wir anfangen wieder heile zu werden. RBB beschreibt das in einem vorausgegangenen Text sehr eindrücklich. G.F.