Ja, aber, wie geht das? Tanzen? Ist doch ganz einfach! Musik aufgelegt und ab gehts😁. Stimmt. Aber mache ich das auch richtig? Schaut mir wer zu? Gefällt mir die Pfeife nach der ich tanze? Ich hab mir mal beim Tanzen den Knöchel vertreten … . Eine spielerische Grundhaltung hilft, sagt die Sozialwissenschaftlerin Marie Jahoda.
Ich spreche mit einer Mutter über die Freie Schule und sie äußert ihre Bedenken: Mein Sohn macht nicht was ich will, wird das in einer freien Schule nicht noch schlimmer? Da ist der Schlüssel. Wir wollen, dass andere tun, was wir wollen. Zugegeben, das ist auch schön, gibt uns ein Gefühl von Harmonie und Übereinstimmung. Mir gefällt das. Keine Frage. Alle bewegen sich im gleichen Rhythmus, das gibt auf der Bühne eine starke Aussage.
Ich denke an Pina Bauschs Bühnenarbeit, wenn die Bewegung durch die Reihe der Tänzer und Tänzerinnen läuft, fantastisch. Wie soll ich das mit meinen freiheitsliebenden Tänzerinnen in DD bewerkstelligen? Klar kann ich sagen, hey, wir machen jetzt mal alle, was ich sage. Eine Zeit lang geht das gut, dann kommt der Eigensinn, das Anderssein und jede macht, was sie will. Anarchie bricht aus.
Chaos!? Hmm, in HKIT haben wir gelernt, unserem inneren Lehrplan zu folgen und zu fragen, was bewegt sich da, „was ist da in uns lebendig“, um in den Worten Rosenbergs zu sprechen. Damit zeigen wir uns. Das ist gar nicht so einfach, wie sich das anhört. Ostern werden wir das Thema: Die Masken des Egos in den Ostertanztagen unter die Lupe nehmen.
Nach diesem Schritt kommt der nächste. Wenn ich gut genährt bin mit meiner Eigenbewegung, dann kann ich mich der Bewegung der anderen zuwenden und in Resonanz treten. Aufgrund dieses Vorgehens nennen wir uns Dance in Dialogue. Resonanzen sind für mich wie die Schwingungen des Holzes eines Geigenkörpers, beim Spiel, auch schon vor der Berührung der Saiten beginnen sie zu antworten. Response.
Gut. Eine Tänzerin schmeißt sich auf den Boden und tritt wie wild mit den Füßen um sich. Könnte sein, die anderen schmeißen sich daneben und es entsteht Einheitlichkeit, wie oben bei Pina. Ich erlebe das relativ selten auf der Bühne. Erst mal muss eine andere DD hinschauen. Mir kommen Bilder von unserer Performance an der Rampe in Bergen Belsen vor dem historischen Güterwagon, mit dem die Häftlinge ins KZ gebracht wurden. Eine DD bindet sich eine Schlinge aus Verbandsmaterial um den Hals, es vergeht Zeit, bis eine andere das bemerkt.
Was macht sie? Sie schreit auf und jammert und stürzt hinzu … ist das noch tänzerisch? Darf sie das? … da sind wir wieder bei der Frage oben … was macht die Musikerin … die anderen DDs … alles offen … jede versucht hinzuspüren und dadurch gestaltet sich ihre Bewegung und der gemeinsame Tanz. Es entstehen Resonanzen. Keine weiß wie es geht, keine sagt wie es geht. Unser Tanz hat uns in die Tiefen der Geschichte geführt und wir haben mehr über uns, die Verhältnisse damals und heute an der Rampe erfahren als wir zu träumen gewagt haben.
Wie verbinde ich das jetzt mit der Angst der Mutter, dass ihr Kind nicht macht, was sie will? Am liebsten wäre mir, der Zusammenhang hätte sich schon hergestellt im Lesen. Weil es geht ja nicht darum, was ich als Mutter will oder was das Kind will sondern es geht darum, wie kommen wir zusammen. Dazu braucht es unbedingt, dass wir wissen, was wir wollen, so treten wir in den Tanz ein und wir bleiben dabei. Doch nun sind da die anderen, denen wir mehr oder weniger verbunden sind. Sie interessieren uns, wir wollen, dass sie uns sehen, mit uns tanzen … wie geht das?
Dieses Interesse, dieses sich dazwischen Stellen, darum geht es. Neugierde ist uns angeboren, drückt unser Ja zum Leben aus. Wir interessieren uns für Dinge, für Mitmenschen. Wir wollen dazu gehören, mitmachen, dabei sein, einen Platz in der Gemeinschaft haben. Das ist angeboren, wir würden sonst nicht überleben ohne die anderen.
Im Spielfeld dieser Kräfte beginnt unser Tanz. Wie kann ich mich leben? Mit psychologischen oder pädagogischen Fachbegriffen kann ich der besorgten Mutter nicht kommen und mit Tanz schon gar nicht. Dabei tanzt ihr Sohn schon lange mit ihr. Sie ist aktiv, also kann er nichts machen, er wird passiv. Faul, wie sie es nennt. Offenheit braucht keine Bewertung. Da sind wir wieder bei meiner Aufforderung am Anfang: komm, tanz‘ mit mir.
Es gibt so viele Möglichkeiten sich gemeinsam zu bewegen, probieren wir sie aus. Mut? Ja, Mut braucht es und Vertrauen.
Morgen schauen wir mal, wie Trudi Schoop das machte, eine Pionierin der Tanztherapie.