Keywords: Handwerkszeug DD, Gefühle versus Bewegung, Widerstand, Körperpsychotherapie, Scham, Entenschwänzel, Heraustreten.
Abstract: Es hat echt geschnackelt in mir während der Arbeit mit Wiederholungen, Z. B. das Gehen – vor und zurück… seit dieser Geh-Bewegungs-Entdeckung gehe ich anders bis heute…Schwänzchen raus und los;-))
DD vom 12. – 16.10.2016
Ich bin ja eine Tanz-Handwerkerin oder besser gesagt eine Tanzarbeiterin, die gerne mit und in ihrem Körper forscht, wie etwas geht und wie sich Bewegung anfühlt in meinen Innenräumen. Mir hat schon vor vielen Jahren gut gefallen, wenn wir morgens mit Bewegungen, sprich Tanz-Handwerkszeug gearbeitet haben, was mir gerade damals als Tanzanfängerin auf der Bühne sehr geholfen hat mich in der Öffentlichkeit zu zeigen, zu tanzen. Wir übten z. B. die Basic-Bewegungen (vor-zurück, links-rechts, kippen, kreisen, wiegen), Breaks, Stopps, das zu Ende führen einer Bewegung, Change Position und vieles mehr…
Ich bin dir sehr dankbar, Gabriele, dass du uns jetzt wieder an das tänzerische Handwerkszeug erinnerst und uns einlädst, da mal genauer „mit TiefSpürBlick“ hineinzugehen.
Du kommst am ersten Tanztag morgens in den Tanzraum. Ich bin gerade dabei meine Decken und Kissen auszubreiten, weil ich mich auf Aatini freue, auf hinsetzen und ablegen. Mein Körper meldet Schmerzen im Nacken, im Rücken und besonders im rechten Arm. Ich freue mich aufs Abtauchen, auf Stimme und atmend meine kleinen Bewegungen kommen zu lassen, um dem gespannten Gewebe Aufmerksamkeit zu schenken. Irgendwie steigt in mir eine traurige Stimmung an diesem Morgen hoch, kaum dass ich den Tanzraum betreten habe.
Ich sitze gerade, da sagst du, dass wir mit Gehen durch den Raum beginnen. Uns also in die Aufrechte begeben möchten. So nach dem Motto: 5 Jahre Aatini im Sitzen ist genug, wir ändern mal die Form der Körperarbeit. Holla, die Heidefee, denke ich. Wie soll ich denn hier wieder hochkommen? Alles zieht mich zu Boden und ich möchte nur heulen…weinen…Tränen steigen sofort auf.
Ich sitze weinend auf meiner Decke, während ein paar Frauen schon mit dir durch den Raum gehen. Ich spüre deutlich inneren Widerstand. Ich möchte nicht aufstehen und mich durch den Raum bewegen. Ich höre, welche Bewegungs-Einladungen du einbringst…und ein Teil in mir möchte gerne einfach aufstehen, doch ein anderer Teil weigert sich vehement.
Ich spüre gerade alte Muster, die mich gefangen nehmen, mich halten…wo ich meins unbedingt durchsetzen möchte. Ist ja nicht verboten meins zu machen, doch irgendwas stimmt hier nicht, sagt meine innere Stimme zu mir. Das Gedankenkarussell kreist in meinem Kopf: sitzen bleiben, weinen, aufstehen wollen…hin und her und her und hin.
Ich weiß ja, dass ich gerade durch die HKiT-Arbeit gelernt habe, mir zu folgen…dass fast alles sein darf und trotzdem holt mich ein altes Muster ein, das da sagt, dass weinen ja peinlich ist…ein Teil schämt sich dafür und ein anderer Teil unterstützt mich im zulassen meiner Traurigkeit.
Gabriele, hab Dank für dein Nachfragen, was mit mir ist und Anita, hab Dank für dein mich halten in deinen Armen. Weinen und nicht mehr aufhören wollen…es fließen lassen…mich lassen…
Es ist gut gewesen mir die Zeit zu nehmen, um dann die neue Form der morgendlichen Körperarbeit im Stehen bzw. Gehen auszuprobieren. Dieses Aufstehen vom Sitzen in die Aufrechte kostet mich viel innerliche Überwindungskraft, es hat was mit „mich zeigen“ zu tun, in diesem Falle mit mich weinend und nicht sprechen könnend (Hals ist verschlossen) in den Kreis der Frauen zu stellen, um am Schleusen öffnen teilzunehmen. Ich weiß ja ganz genau, dass keine Frau mich schräge anschauen würde und doch drückt sich dieses alte Schammuster extrem durch.
Hier kommt ein entscheidendes Körpergefühl ins Spiel, was mir mein gesunder Teil meines Selbstwertes aus der Tiefe meines Seins schickt: ich sage mir innerlich, dass ich zu mir stehe…ich stehe zu mir…ich bin für mich verantwortlich, ich übernehme die volle Verantwortung für mich…Ich möchte jetzt aufstehen und darf auch dabei weinen.
Dieser kleine innere Dialog gibt mir Kraft, um aufzustehen. Ich stelle mich in den Kreis und beginne meine Fußschleusen zu öffnen. Ich habe den Übergang geschafft vom „im Gefühl stecken zu bleiben“ hin zum Ankommen in meinem Körper, in meinem sensomotorischen Raum. Ich lasse die Tränenwasserwellen fließen, die während des Schleusenöffnens immer mal wieder hoch schwappen…ich integriere sie mittlerweile ganz natürlich in mein Hinspüren zum Körper, zu dem sich bewegenden Körperteil, woran wir gerade arbeiten.
Weshalb schreibe ich diesen Teil so ausführlich? Weil mir genau durch diese Schritte bewusst geworden ist, wie es geht, mir zu folgen und gleichzeitig Neues mitaufzunehmen (in diesem Fall die Einladung von dir, Gabriele, uns einer anderen Form der morgendlichen Körperarbeit zuzuwenden, obwohl ich lieber sitzen geblieben wäre, was bedeutet hätte meinem alten Bewegungsmuster zu folgen).
Im übertragenden Sinne habe ich gelernt etwas Altvertrautes zu verlassen, um mich auf Neues einzulassen. Also innere Hürden zu überwinden, um meine innere Grenzen zu erweitern. Ich habe es ganz körperlich gespürt, wie bestimmte alte Zellinformationen mich bis heute aus dem Unbewussten steuern. Dieser schmale Grat vom Unbewussten zum mir bewusstwerdenden Muster erfolgt über meinen Körper, meinem mich bewusstem Einlassen in meine eigenen Innenräume, in den sensomotorischen Raum.
Da, wo das Traurig sein und das Sitzenbleiben wollen, der Widerstand, eine gespürte Bewegung geschenkt bekommt. Hier an dieser Stelle ist mir der hohe Wert der Körperpsychotherapie nochmal wieder ganz deutlich geworden. Diese innere Hemmschwelle hätte ich in einer Gesprächstherapie nicht lösen können bzw. mir hätte das mich bewegende Körpergefühl gefehlt, um eine bestimmte Handlung ausführen zu können, also um die tatsächliche Umsetzung vorzunehmen und sie zu ERLEBEN. Nicht nur etwas denken, sondern es live erleben. Schritt für Schritt. Mittlerweile haben mich meine gespürt ausgeführten Bewegungen ins Hier und Jetzt getragen. Die Traurigkeit hat sich in Lust auf Bewegung verwandelt.
Hier bin ich dann im Tanz, im Dancing Dialogue angekommen, da wo sich erlerntes Handwerkszeug in tänzerisches Spiel verwandelt. Wir gehen VOR und ZURÜCK im Raum. Wir arbeiten mit Wiederholungen, wir gehen also immer wieder vor und rückwärts zurück. Minutenlang….und ich gehe und gehe und gehe. Ich bin voll in der Performance-Arbeit zu Marie Jahoda angekommen.
Plötzlich sage ich laut, dass ich doch nicht nur VOR und ZURÜCK während einer Performance gehen könne. Was sollen denn die Leute denken, so nach dem Motto, die Tänzerinnen haben ja nix drauf außer auf der Bühne vor und zurück zu gehen. Wie gut, das ich es laut sage, denn so kann mir Gabriele antworten. „Spür und schau mal genau hin, welch große Kraft dieses gemeinsame Vor-und Zurückgehen entwickelt.“
Gerade dann, wenn alle Tänzerinnen diese Bewegung machen. Am meisten Kraft entwickelt sich, wenn alle in die gleiche Richtung gehen. Es ist jedoch auch interessant, wenn sich Begegnungen ergeben, wenn einige vor und die anderen gerade zurückgehen. Dieses Spielen damit, wann was wie stark wirkt und wann die Kraft im Raum ausdünnt.
Und tatsächlich, als ich während des Vor- und Zurückgehens genau hinspüre, merke ich, wie sich meine Aufrichtung Stück für Stück verändert. Wir sprechen während des Gehens von der Achse, wie sich die Wirbelsäule mehr und mehr aufrichtet. Und wieder sage ich laut: Jaaaa, es ist ja unglaublich, wie viele Zentimeter ich gewachsen bin. Nur in dem ich das sogenannte Schwänzchen am Ende der Wirbelsäule etwas nach außen kippe und dehne, bekomme ich eine neue Aufrichtung.
Und damit nicht genug, mein Schritt, mein Rhythmus im Körper verändert plötzlich erheblich. Mein Becken ist erwacht und beginnt im Vor- und Zurückgehen zu schwingen… so zu schwingen, das es mir ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Meine Füße berühren satt Mutter Erde. Das Gehen aus dem Psoas tut seine Wirkung. Mein Kopf sitzt genau auf der Achse, die Schultern und Arme bekommen eine neue Position, es durchflutet mich ein neues Körper-Geh-Gefühl.
Stolz schreite ich vor und zurück like a model on stage. Ein neues von innen heraus gefundenes Gehen ist geboren. Ein gänzlich anderes Lebensgefühl steigt in mir mehr und mehr auf. Wie von kosmischer Zauberhand und kosmischem Zauberfuß geführt, eröffnet sich mir ein neu erspürter, gefühlter schwingender Körperinnenraum, was natürlicherweise dann als Folge im Außenraum sichtbar wird.
Ein paar Tage später zu Hause:
Als ich heute an der Elbe entlang spazieren gehe, liegt meine ganze Achtsamkeit in meinem Gehen. Ich experimentiere mit altem und neuem Gehen.
Altes Gehen: Schwänzchen ist eingezogen, ich bewege mich nur aus den Beinen heraus, meine Brustkorb und meine Schultern klappen nach vorn, Arme hängen an den Seiten, Kopf kippt auch etwas nach vorn. Gefühl: Resigniert sein, Altes wiegt schwer, aufgeben wollen, keinen Sinn spürend. Lebensenergiepegel sinkt. Bin mehr in der Vergangenheit oder sonst wo als in der Gegenwart. Ein Gehen ohne wirklichen Erdkontakt unter meinen Füßen. So wie wenn ich die Verbindung, den Kontakt aus meinem Unbewusstem heraus bisher meiden wollte.
Neues Gehen: Schwänzchen bewusst nach hinten kippen, Becken öffnet sich. Faszien, Sehnen und Bänder im Bauchraum und überhaupt im ganzen Körper bekommen eine deutliche Dehnung und damit eröffnet sich eine Ganz-Körper-Aufrichtung von allein. Das Schwingen des Beckens erzeugt neue Stimmung(s)-Musik in mir.
Spüre ein freies Gehen mit sattem Erdkontakt. Dieses nicht auftreten können, wollen, weshalb auch immer bisher, wandelt sich in:
Ich bin im Jetzt präsent, nehme mich und meine Umwelt im Hier und Jetzt wahr. Lebensenergiepegel auf hohem Niveau. Befreiung… Innere Freude…heiteres Gelassen Sein …Liebe zu mir und Liebe zum Leben…
Ich bin sehr glücklich über diese gemeinsame Tanz-Körper-und Performancearbeit und meinem mit eurer Unterstützung wieder erwachten neuen mich aufrichtenden Geh-Leben(s)Rhythmus.