Das Motto des Forums vom 23.-26. August 2018 ist Spielen=Tanzen=HKIT. Elke Wagner und ich sind voll Freude in der Vorbereitung dieser Großveranstaltung und bei meinen Recherchen fällt mir ein Text aus dem Blog entgegen, den ich für sooo wichtig halte, dass ich ihn hier noch einmal abdrucke, bearbeitet, als Hintergrund für das, was Euch beim Forum an Spiel und Tanz erwartet und als Wertschätzung einer tänzerisch- spielerischen Grundhaltung mit den HKIT.
Zitat Blog 20. Mai 17
„Keine andere Tätigkeit bestimmt unser Leben so nachhaltig wie das Spiel. … Ohne die frühen Formen der Bewegungsspiele, die hinzutretenden und darauf aufbauenden Illusions- und Rollenspiele sowie die Konstruktionsspiele wären Menschen ebenso wie höher entwickelte Tiere tatsächlich lebensunfähig. Über alle unbestrittene Funktionalität hinaus jedoch bedeutet Spiel noch mehr: Das Erlebnis des Ich, des Du und des Wir sowie Freude und Lust nicht nur im Tun, sondern allein schon im Sein in einer Welt, an der wir nicht nur teilhaben, sondern deren Teil wir sind. Und wer es fassen will und kann: Spiel hebt uns über die Rationalität hinaus in Bereiche, die uns zumindest für Momente unsere Herkunft und Unvergänglichkeit erahnen lässt. Sich einzuordnen in die Balance aus Regeln und Freiheit, sich voll und ganz einzubringen, aber gleichzeitig zu bescheiden, das kann zu mehr werden als Nutzen und Vorteil. Spiel, so gesehen, bedeutet Offenbarung. Keiner von uns wird auf diesem Weg je auslernen, je an ein Ziel kommen. …“
aus Ekard Lind, Richtig spielen mit Hunden, Kynos 2016, S 219. (Ekard Lind ist Professor für Musik in Österreich und hat sehr viel pädagogisch dazu gearbeitet, wie Kinder lustvoll lernen können ein Instrument zu spielen. Diese Erkenntnis hat er dann in die Trainings mit seinem Hund umgesetzt. Deshalb gibt es von ihm sowohl Bücher zum Musikunterricht wie auch zum Hundesport.)
Diesen Text lese ich und denke, genau das könnte ich so über meine Tanzerfahrungen mit Dancing Dialog schreiben. DD ist ein Solitärspiel und ein Sozialspiel, in diese Spielarten teilt Ekard Lind das Spiel ein und die Spielqualitäten die er formuliert begeistern mich, weil ich sie in den DD wiederfinde: FREIHEIT, SPONTANEITÄT, VERSCHWENDUNG, EIGENHEIT (ANDERSARTIGKEIT), LUST (FREUDE-GLÜCK). All das, was ich so sehr schätze, wenn wir in DD tanzen, zuerst jede einzeln, dann mit der Partnerin und mit der ganzen Gruppe.
Soziales Lernen, Motorik, Experimentierfreude, Kommunikation werden da angesprochen genauso ist es aber auch möglich im Tanz zu kompensieren, eine Ventilwirkung zu finden, sich selbst zu erfahren, Intelligenz auszuloten, Mitgefühl und Fairness, Humor und Scherz auszuprobieren, sich neu zu erfinden.
Einige Zitate aus der Spielforschung die Ekard Lind zusammen getragen hat. Er sagt:
„Umwandlung fällt den Menschen nirgendwo leichter als im Spiel wo Kräfte frei gesetzt werden, die sonst Mühe bedeuten und wo Verwandlung wie von selbst das Ganze erfasst und umbaut, noch dazu in lustvoll beglückender Art und Weise.“ S 19
„Die oft abfälligen Ansichten über Spiel sind angesichts der vielen Vorteile, die es bietet, unverständlich. Die Einschätzungen reichen von „entbehrlich“ über „unnötig“ bis hin zur vermeintlichen Minderwertigkeit. Vor allem dann, wenn Spiel mit Arbeit verglichen wird, schneidet das Spiel meistens schlecht ab. Viele sehen im Spiel etwas Unvollkommenes, Vorläufiges, das später, wenn es ums Arbeiten geht, abgelegt werden muss. Weil es den Fortschritt behindere und dem Ergebnis schade, abgesehen vom Zeitverlust, den man sich im Spiel einhandeln würde. … Spiel ist nichts Vorläufiges, sondern eine besondere Daseins-Realität innerhalb einer eigenen Verhaltenskategorie im Hinblick auf Motivation, Emotion und Kommunikation, gekennzeichnet durch eigene Sinnhaftigkeit, Qualitäten und Merkmale.“ S 69
„Dort (in der Wissenschaft) wird Spiel nicht nur als eine Erscheinungsform der Kultur begriffen, sondern als eine der grundlegenden Substanzen, als formative Kraft, die Kultur entstehen lässt und verändert. „S22f
S145 „… Aussetzen von Status und Rangordnung, einem fundamentalen Kriterium für freies Spiel“
Und hier noch einige Forschungsergebnisse die Ekard Lind zusammengetragen hat:
Neurobiologie des Spiels S 36
„Spielbedingte Emotionen zeigen in der bildgebenden Darstellung des Gehirns deutlich andere Aktivierungsbereiceh (und deren Kombination) als Handlungen, die nicht auf Spiel zurückgehen. Spiel ist daher „eher ein Bewusstseinszustand als eine Aktivität“. Brown 2009
Im Spiel werden folgende „körpereigenen Drogen“ gebildet: Dopamin, Serotonin, Noradrenalin, Oxytocin, Endorphine sowie Phenethylamin (PEA).
Zum Thema Heilungsraum im Tanz:
Spiel braucht das „entspannte Feld“ das heißt Sicherheit („Playtime generally is safe time“, Bekoff 2002) und Geborgenheit, den Raum des Vertrauens (Donaldson) ebenso spielen wir nicht bei Hunger oder Durst, Krankheit, Angst oder Stress. … Geborgenheit ist wohl der einzige Begriff, der alles umschließt, was ein Lebewesen für sein Wohlergehen benötigt, unter anderem aber auch Sicherheit, Vertrauen, Liebe, Wohlbefinden und Angenommensein. …“
S 34 “ Friedrich Schiller: … der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“
Dort wo der Tanz noch Spiel sein darf, frei, spontan, verschwenderisch, andersartig, eigen, lustvoll, dort treffen wir auf die Heilenden Kräfte im Tanz. G.F.