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Meine augenblickliche Lektüre ist das Jahrbuch der Tanzforschung 2015, Henschel Verlag Hg. von Marianne Bäcker und Mechthild Schütte: Tanz Raum Urbanität. Darin der Artikel von Heinz Schütz: Urban Performance. Stadtklang und Anwesenheit. Den ich mit viel Interesse lese und begeistert bin darüber, welchen Ausdruck Performance in der reflektierenden Sprache eines solchen Artikels findet und wie sich da Bedeutung vermitteln lässt.

Urban Performances intervenieren und klären auf, sie nutzen der Stadt als Agitationsraum und wirken auf die Stadt ein, sie setzen Prozesse in Gang und rufen zur Partizipation auf, sie sehen in der Stadt nicht nur Gebäude-Agglomerationen, sondern eine permanente, sich aus unzähligen Einzelaktionen zusammensetzende Sozialperformance. S 176

In der Reduktion auf die bloße performativen Anwesenheit im Stadtraum soll im Folgenden ein kleines Fundament dafür gelegt werden. Dabei wird sich das Simpelste – im Stadtraum stehen und sich dort bewegen – am Ende als komplexer erweisen, als es am Anfang erscheint. S 177

Und doch stößt das Öffentliche im öffentlichen Raum durchaus an eine private Grenze. S 177

Das Bedrohliche resultiert daher, dass die Absichten des Verfolgers nicht bekannt sind, in jedem Fall wird eine im öffentlichen Raum existierende Distanz durchbrochen. S 177

Kovanda verwandelt die öffentliche Bühne des Stadtraumes in sein Privattheater. S 178

Der Stadtraum ist als öffentlicher Raum immer auch ein geschlechtlich konnotierter Raum mit spezifischen Rollenerwartungen und Gebots- und Verbotslogiken. S 179

Yolanda Dominguez – Gender Unterminierung
Grundsätzlich wird das Verhalten im Stadtraum von expliziten und unausgesprochenen Regeln bestimmt. Das längere Verharren in exaltierten Posen ist darin nicht vorgesehen. S 179

Erdem Gündüz – Stehen als Aufstand
Das bloße Stehen im öffentlichen Raum wird hier zur politischen Aktion, die sich als Protestform institutionalisiert und unzählige Nachahmer findet.. S 182

Deutlich wird, wie Aktionen im Stadtraum über die körperliche Anwesenheit hinaus in den politischen Raum hinreichen. S 182

Die klassische Performance basiert auf der körperlichen Anwesenheit der Performer. S 183

Sie (kommunikationstechnologische Möglichkeiten) verändern das Verhalten der Stadtakteure und sie durchsetzen die Anwesenheit im Stadtraum mit Abwesenheit. S 183

Die Anwesenehit im urbanen Raum wird zunehmend überlagert durch die partielle Abwesenheit der Anwesenden. S 183

Ich bin begeistert von der Wirkung der Worte in diesem Artikel, den ich auf dem Kongress Tanz, Raum, Urbanität als Vortrag erlebt hat. Dabei wird mir bewusst …
Das Schreiben über Tanz ersetzt nicht das Spüren
Wie es sich an spürt, wenn wir tanzen ist etwas völlig anderes, öffnet völlig andere Wahrnehmungsräume, als das wissenschaftliche Reflektieren über das Gesehene. Das Getanzte kann von mir nur erfasst werden, wenn ich in diesen Spürmodus eintrete. Ich muss also einen wissenschaftlichen Text über Tanz rückführen in den sensomotorischen Raum um von da aus zu erkennen über was da berichtet oder reflektiert wird.

Da entscheidet sich auch die Qualität eines wissenschaftlichen Textes, ob er überhaupt eine Türe anbietet in den sensomotorischen Raum, den ich dann über den Text individuell betreten kann. Bei Kunst kann ich das erwarten, bei Wissenschaft? Lese ich den Text und öffne ich nicht den sensomotorischen Raum, dann liest sich Tanz wie eine sinnentleerte Geste seiner Verwissenschaftlichung.

Tanz ist nicht Wissen, Tanz ist Bewegung. Descartes: Ich denke also bin ich. Gassendi: Ich bewege mich, also bin ich. Dazwischen oszilliert die Kommunikation. Wir wissen heute durch die Quantenphysik dass unsere Zukunft in der Kommunikation liegt. Kommunikation ist Bewegung. Interessanter Weise wetterte Albert Einstein heftig gegen die Quantenphysik, weil sie Raum, Zeit und Materie in den Hintergrund schiebt und die Kommunikation zwischen Raum, Zeit und Materie in den Vordergrund stellt?

Tanz ist Kommunikation. Dancing Dialogue. Diese Spielbreite zu erfassen in wissenschaftlichen Abhandlungen über Tanz schient mir unmöglich im Lesen dieser Texte der Tanzforschung, die sich verwandelt haben nachdem sie ihrer Performance durch den /die Vortragenden beraubt in einem Buch jetzt schwarz auf weiß festgehalten sind.

Was passiert da? wenn wir im öffentlichen Raum  tanzen, im Hamburger Hafen, wie diesen Sommer im Dialogu mit der FrauenFreiluftGalerie, oder im Dialog mit dem Nicolai Mahnmal in Hamburg? Der Toni Craig Ausstellung im Barlach Haus in Hamburg …  Dieser Frage gehen wir nach, wenn wir nun bereits seit über einem Jahrzehnt Tanzforschung mit Dr Gisela Notz betreiben in unseren gemeinsamen Performances zum Projekt Wort und Tanz.

Wo erstarren wir? Wann geraten wir in Bewegung? Ist Erstarrung eine Bewegung?Wo erstarren wir? Wann geraten wir in Bewegung? Ist Erstarrung eine Bewegung? Welche Qualtiät kann Bewegung haben?